Friday 25 March 2011

KW 12 Teil 2

KW 12
Teil 2

Donnerstag.
Der Tag fing ganz normal an. Bood hatte noch im Auto ein bisschen mit unseren Muffi-Namen geblödelt (setzt sich zusammen aus dem Namen des ersten Haustiers das man hatte und dem Mädchenname der Mutter. Demnach war ich Hoppel Zant, Nadine Ronja Oehler und Bood Chinky Kelly). Rex Cupido alias Shaun half uns beim Einladen und wir wollten gerade fahren als Bood die zwei Typen außerhalb des Schulzauns sah, die gerade einen Motorradfahrer vermöbelten. Sie rissen ihm den Helm vom Kopf und schlugen ihn mit voller Wucht ins Gesicht. Bood ist sofort in die Schule und hat den Principal der Rocklands Primary, Mr. Pretorius, gebeten die Polizei zu benachrichtigen. Dann wollte er mit unserem Bakkie vorbeifahren und unauffällig die Nummer auf dem Nummernschild notieren. Ich hätte das auch unauffällig gemacht aber irgendwie hatte Bood auf einmal die Idee, dass er davon ein Foto haben wollte. Die Typen zogen gerade ab und wir fuhren an ihnen vorbei als Bood das Fenster runter kurbelt und ein Foto macht.  Da haben die Typen blitzschnell umgedreht und uns verfolgt, aufgeblinkt wie blöd und als wir nicht reagiert haben sind sie mit aufheulendem Motor an unsere rechte Seite geprescht und wollten dass wir links ran fahren. Sie seien Cops und wollten das Foto. Die Polizeimarke blinkte kurz auf. Bood hat sich geweigert und gemeint dass er zurück zur Schule fährt, weil er den Typen nicht traut. 

Zurück an der Schule gabs dann erst mal ein heftiges Wortgefecht. Mr. P, wie Mr. Pretorius auch genannt wird kam sofort aus der Schule und bezeugte dass auch er gesehen habe wie die zwei Polizisten den Motorradfahrer fertig  gemacht hätten. Nach einigem hin und her („Löschen sie das Foto!“ „Nein!“) kam die Polizei, die uniformierte Polizei angerauscht. Heraus hüpften wenigstens 5 Polizisten in voller Montur, Kugelsicherer Weste, Schusswaffen und Hockeyschlägern.... Hockeyschläger???!!!!
Jetzt kam auch Shaun dazu und hat sich ruhig vor den Cops aufgebaut.

Eine seltsame Szene. Da stehen diese zwei Schlägercops (angeblich Detectives aus Claremont) in ihren blitzenden Lackschuhen und Designerkrawatten (Schusswaffe am Gürtel) vor uns und drohen Bood. Sie hätten den Motorradfahrer nur zur Rechenschaft gezogen, weil der sie beschimpft hat und ihnen den Mittelfinger gezeigt hat. Die Polizei in Kampfmontur hatten einen Autodiebstahl vermutet und guckten jetzt etwas enttäuscht, dass es sich „nur“ darum handelte. Bood kicherte neben mir nervös vor sich hin. Mr. P stand ruhig wie ein Fels rechts neben uns und bezeugte immer wieder, dass er und viele andere Menschen die zwei gesehen haben, wie sie vor seiner Schule ihre Macht missbrauchten und den Jungen geschlagen haben. Zu unserer Linken stand ebenso ruhig Shaun. Mit seiner schwarzen Wollmütze und dem blutunterlaufenem Auge sah er wohl eher wie die typische Kundschaft der Polizei aus.

Die Polizei rückte mit den Worten „Ach, war doch nur ein Missverständnis“ ab, die beiden Detectives setzten noch einmal vergeblich zu einem Einschüchterungsversuch an, notierten sich die Nummer vom SEED-Bakkie und zogen dann mit quietschenden Reifen von Dannen. Bood war völlig fertig und brauchte erst mal einen Tee auf den Schreck. Eigentlich hätte er einen Schnaps gebraucht, wir beide. Wir setzen ihn auf die Einkaufsliste.
Da Boods Kamera noch im Bakkie war bin ich mit Rückendeckung von Mr. P raus und hab erst mal alle Wertsachen aus dem Bakkie geholt. Mir war nicht ganz wohl, da ich auf dem Parkplatz ein Auto wie das der Cops sah mit zwei dunklen Köpfen darin. Schnell schnell Zeug holen und wieder rein in die sichere Schule.

Mr. P nahm mich erst mal in den Arm und meinte lächelnd zu mir „Das war heute eine schwere Lektion über Südafrika, was? Genau aus diesem Grund sollten sie nach diesem Jahr auch wieder nach Deutschland zurückkehren.“

Mr. P hat mir noch so einiges aus seinem Leben erzählt, wie korrupt die Polizei ist und wie selten Zivilcourage ist. Viele gucken lieber weg und wollen nicht in den Ärger mit hineingezogen werden. Zumal Ärger in Südafrika wahnsinnig schnell lebensbedrohlich werden kann. Alle, Mr. P, Bood und Shaun meinten dass die Cops den Motorradfahrer durchaus hätten erschießen können, wenn die Situation sich aufgeschaukelt hätte. Waffen haben sie ja. 
Die Kinder, so Mr. P, reagieren schon gar nicht mehr geschockt auf Schlägereien. Sie seien abgestumpft und zeigen kein Interesse, wenn es mal Konflikte gibt. Schutzmechanismus. Die Statistik über Kriminalität und Korruption in Südafrika sei hier in Mitchells Plain am Leben.

Was mich an dem ganzen Vorfall überrascht hat, war meine eigene Reaktion darauf. Ich war natürlich nervös bei all den Emotionen und Aggressionen, die da ausgetauscht wurden, aber ich muss gestehen so richtig Angst hatte ich nicht. Warum weiß ich auch nicht. Vielleicht weil ich mich sicher in der Anwesenheit von Bood gefühlt habe, vielleicht wusste ich auch einfach nichts anzufangen mit der ganzen Situation. Ich stand irgendwie daneben und habe beobachtet. Vielleicht habe ich mich auch einfach aus der Verantwortung gezogen. Kopf einziehen? o.O
Ich habe in jedem Fall sehr sehr viel Respekt vor dem Mut, den Bood und Mr. P heute gezeigt haben diese Sache nicht einfach zu ignorieren, sondern mit dem Finger drauf zu zeigen. Wenn die Polizei in Südafrika um ein besseres Image bemüht ist, sollten sie solche Sachen ernster nehmen als es die Polizei von Mitchells Plain heute leider getan hat.

Die Junge Generation muss aufraeumen

Um dem Tag noch das besondere Extra zu geben hat sich einer der Arbeiter beim Pferdestall, wo wir immer unseren Mist holen, dazu entschlossen eine wohlbekannte und immer wieder nervige Platte abzuspielen:
„Wie heißt du nochmal? Monika... Ein schöner Name. Du bis hübsch Monika... sehr hübsch. Und du hast einen Freund in Deutschland? Hm, das ist doch sehr weit weg. Du brauchst auch einen Freund in Südafrika. Wie wärs?“
Er kam dabei so nahe dass ich es schon sehr aufdringlich fand. Als ich ihm den Ring gezeigt und mein Desinteresse bekundet habe, hat er schnell aufgegeben. Zum Glück. Ich war froh, dass Bood in der Nähe war. Just in case.

Sorry Stalljunge, ich hab meinen Prinzen

Aber hey, wollten wir nicht eigentlich zur Schule? An diesem Donnerstag waren wir in Gugs, alias Guguletu an der Fezeka Highschool. Das witzige an der Schule ist, dass der Garten an einer vielbelaufenen Straße liegt und man eigentlich alle Nase lang mit jemandem Quatschen muss. Jedes Kind bleibt wie angewurzelt am Zaun stehen und brüllt erst mal ungläubig „uMlungu!!!“ („Weiße!“) und probiert dann ein paar Brocken englisch zu sprechen.
Als wir gerade das Loch für die Bananengrube ausgehoben hatten kam ein Mann mit seinem Woolworth-Einkaufswagen am Zaun entlanggerattert der uns interessiert beobachtete. Sein orangenes Diesel T-Shirt war mit großem Aufwand gleichmäßig zerlöchert worden, genau wie sein schwarzer Filzhut den eine paar weiße Plastik-Blumen zierten. Er lächelte uns mit seinen wenigen schwarzen Stümpfen im ansonsten zahnlosen Mund an und fragte uns dann was wir hier machten. Er klang intelligent. Etwas verrückt, aber intelligent. Als wir es ihm erklärten meinte er energisch, dass in Gugs keine Bananen wachsen, Er sei 63 Jahre und kenne den Grund auf dem die Schule stehe. Das sei vor 50 Jahren ein Schrottplatz gewesen. Der Boden sei nichts wert. Und er habe immerhin einige Jahrzehnte als Gärtner gearbeitet, unter anderem in den Weinbergen von Stellenbosch. Er malte uns mit seinen Crocs im Sand auf, was die einzige Möglichkeit wäre um hier irgendwas anzubauen. 
Er brachte Bood damit auf die Idee die gesamte Bananengrube mit Zeitungspapier auszulegen und so eine Art Papiertopf zu machen in dem sich die Nährstoffe halten. Also tapezierten wir die gesamte Bananenspirale mit der Cape Argus: „Minibus mit 35 Kindern vollgeszwängt“ (Ein Minibus hat offiziell ca. 15 Sitzplätze und keine Stehplätze).

Zurück im Office waren Bood und ich uns einig: Dieser Tag verlangt nach einem Schnaps!
Ein Schnaps ist es bei mir nicht geworden, dafür eine Tafel Nussschokolade. Die beruhigt auch.

1 comment:

  1. Hallo Moni,
    heute grüßen dich ganz herzlich aus Freising Hoppel Sziburies (alias Lilli), Max Braun (alias Raffi) und Pedro Wirsing (kennst du schon ;) )!
    :D

    ReplyDelete