Wednesday 29 June 2011

Ankommen, Abreisen

Derzeit verabschieden sich sehr viele Menschen hier. Vor allem in Nadines Haus ist ein ständiges Gehen. Fast jede Woche geht ein Anderer. Das geht jetzt schon über einige Wochen so. So bin ich derzeit allein schon wegen diesen Abschiedsfeiern viel in Nadines Haus.
Auch bei SEED sind wieder viele tolle Persönlichkeiten gegangen. Freiwillige, deren Zeit zu Ende ging. Die Studenten der Stanford Universität in Californien bleiben zwar nie sehr lange bei SEED, doch fehlt mir ihre Anwesenheit und Hilfe doch ganz gewaltig. Und dann sind da natürlich die Freiwilligen die wie ich mehrere Monate bei SEED verbracht haben, fünf Tage die Woche, jede Woche. Steffi ist mittlerweile wieder in USA und versucht dort beruflich ihren Weg zu machen. Sie vermisst SEED und die Zeit hier sehr, sagt sie. Auch Valerie die fast zur gleichen Zeit wie ich bei SEED ankam dort aber nur ca. 9 Monate gearbeitet hat ist mittlerweile wieder in Deutschland.
Abschied nehmen ist traurig. Die Leute ziehen in alle Himmelsrichtungen und es ist mehr als ungewiss ob man sich nochmal sehen wird.

Wie wird es mir ergehen, wenn ich Abschied nehmen muss von allem hier?
Darüber reden Nadine und ich derzeit viel. Wie wird es uns in Deutschland ergehen? Wird alles, was wir hier erlebt haben wie ein Traum erscheinen? Es ist so anders hier als in Deutschland und es ist die Realität für die Menschen hier. Aber wie werden wir mit der Realität in Deutschland umgehen? Wie wird Deutschland mit uns umgehen?

Jetzt, wo ich so über das Weggehen und Abschied nehmen nachdenke fällt mir auf wie sehr ich doch angekommen bin. Ein Teil in mir will nicht Abschied nehmen. Ein Teil von mir sagt, dass ich mich doch hier auch gut zurecht finde, dass ich viele Freunde habe, eine Arbeit die mir Spaß macht, in einer Stadt lebe die vielleicht die schönste der Welt ist, der Mothercity eben und ich dann doch auch hier bleiben könnte. Aber dieser Teil steht nicht so in Verbindung mit jenem Teil der sich auch unglaublich auf Deutschland freut. Der sich darauf freut endlich wieder ein gemeinsames Leben mit meinem Mann Christoph führen zu können. Der Teil der sich auf die kleinen Sachen freut wie den Samstagsmarkt in Freising, Kyudo, Nachts alleine rausgehen zu können, eine Heizung und das üppige Grün überall.

Mothercity Cape Town

Ich finde es faszinierend wie ich meine Wahlheimat Kapstadt jetzt empfinde. Vor meiner Halbzeit hier habe ich noch anders gefühlt. Zumindest denke ich das jetzt. Ich habe mich hier noch nicht so sicher gefühlt. Ich wusste nicht wie ich von A nach B komme. Wenn ich dann doch mal ein Auto hatte war ich unsicher wegen dem Linksverkehr und weil ich mich nicht so auf Südafrikas Straßen auskannte. Ich wusste nicht, was mich erwartet, wie die Menschen auf mich reagieren. Vor allem jene mit denen ich bei meiner Arbeit zu tun haben? Wie werden sie auf die Weiße, auf die Deutsche reagieren? Vieles war so neu und unbekannt.
Das ist heute zwar auch noch vieles, aber dafür ist auch vieles schon sehr bekannt. Heute kann ich auf so vieles zurückblicken was ich schon gemacht und erlebt habe hier und vielleicht gibt mir das die Sicherheit die mein Empfinden gegenüber Kapstadt so geändert hat. Wie gesagt, heute fühle ich mehr denn je, dass Kapstadt ein Stück Heimat geworden ist. Etwas das ich nicht so einfach verlassen kann. Ganz besonders die Menschen werde ich vermissen, die mich mit solcher Wärme, Freude und Dankbarkeit hier aufgenommen haben. Ich mag mir gar nicht vorstellen dass sie ab Oktober nicht mehr in meinem täglichen Leben sind. 
Ich konnte im Oktober 2010 auch Deutschland nicht so einfach mir nichts dir nichts verlassen. Meine Neugier und mein Idealismus waren einfach nur größer in dieser Phase meines Lebens.

... und hier hats mich hinverschlagen

Bin ich tatsächlich erst jetzt, da ich den Abschied schon so greifbar vor mir habe angekommen? Angekommen in diesem Leben? Wenn ich zwei Jahre geblieben wäre, würde ich dann jetzt nicht so denken? Muss man wirklich immer den Abschied vor Augen haben um die Kostbarkeit des Hier und Jetzt begreifen und wertschätzen zu können? Wenn ja, welchen Abschied muss ich dann in Deutschland vor Augen haben um abermals so dankbar für mein Leben zu sein, wie ich es hier bin?

Meine letzten drei Monate sind angebrochen und es kommt mir unglaublich kurz vor.

(PS: Gerade springt mein „Musik-Zufallsmodus“ einfach so auf Hubert von Goiserns „Zeit“. Ein schöner Wink des Universums. „Hearst as ned, wia die Zeit vergeht...“ *sing)

Sunday 26 June 2011

Samstag Morgen

Das trübe Licht im Zimmer sagt mir dass die Sonne sich immer noch nicht blicken lässt. Das Getrampel auf dem Flur sagt mir, dass ich nicht allein wach bin. 8:00 Uhr?! An einem Samstag? Was ist da denn los. Naja, kann ich auch gleich aufs Klo gehen. Gott ist das wieder kalt heute Morgen. Der kalte Luftzug der vom geschlossenen Fenster durch das Bad weht weckt mich endgültig auf. Da kann ich auch gleich aufstehen. Eine Mitbewohnerin redet mit der Sanftheit eines Maschinengewehrs auf ihren wehrlos im Bett liegenden Zimmergenossen ein. Als sie wenig später das Haus energisch verlässt ist alles klar: Da gabs Zoff. Ganz was Neues. An Schlaf ist für den Gebeutelten jetzt auch nicht mehr zu denken, also setzt er sich mit einem Tee kenian-style zu mir an den Frühstückstisch.  

Nach dem stärkenden Frühstück aus pampigen Roggenbrot, Erdnussbutter und was der südafrikanische Frühstücksmarkt sonst noch so zu bieten hat mache ich mich schnurstraks auf zu Pick 'n' Pay. Gott, da war ich ja schon ewig nicht mehr. Kann mich gar nicht mehr so genau erinnern warum nicht. Heute kann ich mein Pick 'n' Pay Embargo nicht länger aufrecht erhalten. Hab was für die Post im St. Peters Square in dem auch  PnP zu finden ist bei dem ich erst noch nen Luftpolsterumschlag kaufen muss. Immerhin regnets nicht.

In der Unterführung rieche ich den mittlerweile vertrauten süßlichen Geruch von Gras. Alles klar, ich bin in Obz. Wie viele Tütchen und Bongs wohl diese Nacht wieder geraucht worden sind? Das is hier so normal wie Tee trinken... und wohl auch genauso billig.
Auf dem Weg nach Oben begegne ich niemandem. Gar nicht übel, dann werd ich auch nicht nach Geld gefragt. Obz' Straßen sind fast wie leer gefegt. Nur ein paar bunte Figuren die sich im Mimi's ein Frühstück gönnen. Das könnt ich auch mal wieder machen. In der Kneipe neben dem Internetcafe sind heute mal nur wenige Rocker zum Morgenbierchen versammelt. Harley-Stammtisch ist wohl erst morgen.

Am St. Peters Square stelle ich sofort fest dass Scooter's Pizza zugemacht hat. Erst Sam's Pizza und dann auch noch Scooter's Pizza. Ob wohl ein heimtückisches Virus alle Pizzabäcker dahinrafft? Oder hat der Halaal Food Council rausgefunden das Pizza nicht Halaal ist? Nicht-Halaal-Lebensmittel stehen hier auf der roten Liste. Schlechte Karten für ein Schnitzelgeschäft in Südafrika. Vielleicht hat man auch nur kein anständiges Rezept für ne Pizza mit Hühnchenfleisch finden können, denn der Barcelo's Chicken neben Scooter's steht noch wacker.
Wie kommt es eigentlich dass diese Chicken-Restaurants hier so beliebt sind? KFC, Hungry Lion, Nando's, Chicken Lickin', Barcelo's und wie sie alle heißen. Ein ganzes Land im Chicken-Wahn. Und dann sagen alle dass Hühnchen so gesund und fettarm sei, was ich stark bezweifeln möchte bei einem frittierten Zinger Wing. Manche betrachten Hühnchen ja noch nicht mal als Fleisch. Vegetarische Kost quasi. KIKERIKI!!!
Ja, vielleicht denken wirklich einige Leute hier dass sie sich gesund ernähren, wenn sie jeden Tag Kentucky einen Besuch abstatten. Och, ich denke ich will auch mal wieder was gesundes essen... gleich heute Abend... aus nem Pappeimer.

Vor dem PnP steht eine Dame die ihre selbstgemachten Köstlichkeiten, allesamt aus einem Pott Fett entsprungen, anbietet und dabei mit Hingabe die Blasen einer Luftpolsterfolie zerdrückt, jede Einzelne. Ich hab mich noch nicht ganz von diesem Anblick gelöst als ich auch schon angequatscht werde ob ich nicht für die Brustkrebs-Vereinigung spenden möchte. Was brauch ich gleich nochmal von PnP? Ah, Luftpolsterumschlag. Und ein paar Äpfel wären auch wieder nicht schlecht. Sonst noch was, was es nur bei PnP gibt? Na, erst mal reingehen.

Und da stehe ich schon an der Obstauslage mit geschätzten weiteren 130 Menschen. Ich bahne mir einen Weg vorbei an den Avocados, ohne den Cadbury-Schokoladen-Aufsteller umzunieten. Geschafft! Ich bin am Apfelregal. Es ist wie immer unglaublich übersichtlich. Mehr als drei Viertel der dort angebotenen Apfelsorten finde ich ungenießbar. Starking, Top Red und Gala: manchmal süsslich, oft aber gar kein Geschmack und eigentlich immer mehlig. Selbst die letzten Braeburn die ich gekauft habe sind hier mehlig! Skandalös!Dazwischen liegen ein paar Tüten Birnen Sorte Forelle. Yack!
Wo sind denn nur die Cripps Pink... Crisp Pink, whatever. Na toll, ein ganzes Regal voller Äpfel und kein einziger mit Geschmack. Seufz, muss ich halt die Pink-Lady™-Lizenz-Bande unterstützen. Mann sind die klein. Das sind ja Pink Babys. Und werden noch nicht mal als billigere Kinderäpfel verkauft.

So, weswegen war ich jetzt gleich nochmal wieder da? Das ist so typisch! Ich bin gerade mal an den Äpfeln vorbei und hab schon wieder total vergessen was ich eigentlich kaufen wollte. Die Äpfel waren doch nur ganz unten auf der Liste. Aber was war dann ganz oben? Und gabs noch was in der Mitte? Die Waren- und Menschenflut in diesem Laden macht mich ganz kirre. Konzentrier dich Moni! Es war nicht viel, vielleicht fällts dir wieder ein, wenn du durch die Regale gehst. Ah, ich weiß es! Den Luftpolsterumschlag!
Aber wo waren jetzt nochmal die Schreibwaren. Na toll, da geh ich seit 9 Monaten in diesen PnP und weiß immer noch nicht wo die Schreibwaren sind. Ah endlich, Regal gefunden. Und hier haben wir auch schon die Luftpolsterumschläge... in den Größen Ich-will-einen-Norweger-Pulli-verschicken und Anbei-schicke-ich-die-beiden-Artisten-Flo-und-Florentine.
Super, jetzt darf ich mich an der Schlange für einen Beutel Pink Babys anstellen. Damit es sich lohnt greif ich noch schnell nach ner Tafel Schokolade. Da weiß ich im Schlaf wo ich die im Laden finde.

Nach dem üblichen Kassengeplänkel ob ich für meine Tafel Schokolade eine Tüte haben möchte fällt mir siedend heiß ein, dass wir schon wieder fast keinen Strom mehr haben. Der geht zur Zeit weg wie nix. Dabei verkneif ich mir schon immer den Heizlüfter. Naja, kauf ich eben noch für 250 Rand Strom. Wenn man bedenkt dass Kapstadt das einzige Kernkraftwerk von ganz Südafrika, vielleicht sogar Afrika hat, finde ich es ganz schön unverschämt wie teuer der Strom hier ist. Gerade im Winter. Schweine!

Ich stecke den Kassenzettel mit der Strom-PIN-Nummer in den Geldbeutel und verlasse den Laden. Ich kaufe den Luftpolsterumschlag beim überteuerten Schreibwarenladen nebenan, gebe den Brief in der Post auf und mache mich auf den Heimweg.
Die Frau vorm St. Peter's Square lässt immer noch konzentriert ihre Blasen auf der Folie platzen während sie wartet dass jemand Heißhunger auf ein frittiertes Teilchen bekommt.
Ich bin noch nicht ganz über den Parkplatz gegangen da hält mich ein junger Typ mit tätowierten Armen an. Er sei im Krankenhaus gewesen, zum Beweis dafür hält er mir zwei Apothekertüten unter die Nase, und brauche jetzt Geld für die Rückfahrt nach Nordhoek. Bla blub...
Spätestens jetzt weiß ich wieder, warum ich nicht mehr so oft zu PnP zum Einkaufen gehe.
Ich gebe ihm mein restliches Wechselgeld und verschwinde schnurstraks bevor noch einer auf die Idee kommt mich um mein Kleingeld anzupumpen. Der nächste der mich anhaut bekommt einen Pink Baby Apfel in die Hand gedrückt!

Saturday 25 June 2011

Abundance


Abundance, zu Deutsch die Vielfalt, wird bei SEED auf vielfältige Weise kultiviert. Da sind zum einen natürlich die Gärten die bei richtiger Pflege so richtig aufblühen, wo sonst nur Dünen... oder eben Fynbos ist. Tatsächlich können wir in den SEED-Gärten viele Tiere, besonders Vögel, beobachten, die man sonst in Mitchell's Plain gar nicht sieht.
Aber auch die Arbeit ist vielfältig und alles andere als langweilige Routine.

Neben unserer Arbeit an den Schulen, von der Nadine und ich gerade etwas pausieren, gibt es auch immer allerhand in Rocklands zu tun und zu erleben.
Seit einiger Zeit haben wie einen Freiwilligentag am Mittwoch eingerichtet, wo Leute kommen können und uns einen Tag lang im Garten aushelfen können. Da kommen so allerhand witzige Typen kann ich euch sagen. Da ist z.B. Anton den ihr schon auf einem Foto mit seinen selbst erfundenen Recycling-Grillanzündern gesehen habt. Ein echt knuddeliger Typ kann ich euch sagen. Und immer am lächeln. Er ist in so allerhand gemeinnützigem engagiert. Eines seiner „Babys“ ist die Schulung von ehemals Drogenabhängigen. Davon gibt es hier weiß Gott genug. Nach ihrem Entzug will er ihnen Möglichkeiten für ihr Leben aufzeigen. Gartenarbeit ist eine solche Möglichkeit, die zudem noch einen sehr beruhigenden Effekt auf die meisten Menschen hat. Und so hat Anton kurzerhand mal ne ganze Mannschaft in unseren Garten gebracht, wo sie von Shaun einen Schnellkurs in Gartenpflege bekommen haben. Die hatten echt ihren Spaß dabei und waren total dabei

Gras Jaehten statt rauchen

Anton, seine Schuetzlinge und ich

Ganz allgemein stelle ich fest dass der eigenhändige Anbau von Lebensmittel eine ganz besondere Magie auf so manchen hier ausübt. Die Leute bekommen dieses Funkeln in den Augen, diese Aufbruchsstimmung, wenn sie von ihren Gärten reden. Die Möglichkeiten sich mit einem Garten sein Einkommen aufzubessern reizt hier viele. Sie wissen nur nicht wie. Und genau hier kann SEED helfen. Zumindest versuchen Nadine und ich das so gut es geht.

Ein anderes Beispiel ist 'Bicycle-guy' Ismail. Er hat den Fahrradladen in nem alten Container um die Ecke. Er hat auch schon mal unseren Bakkiereifen geflickt. Fahrrad- oder Autoreifen... wo ist da schon der große Unterschied, was?
Na jedenfalls ist er seit einiger Zeit regelmäßiger Gast in unserem Garten. Hilft bei der Gartenarbeit mit und bekommt dafür von uns Pflanzen und ab und an auch mal ein paar Tüten Kompost. Und natürlich jede Menge Wissen. Da ich gerade dabei bin den Food Forest zu schneiden hat er gefragt wie man denn einen Pfirsichbaum schneidet. Das ist natürlich nicht so leicht zu erklären also hat er gemeint wir könnten ihn doch vor Ort ansehen. Also sind wir zu seinem Laden gelaufen, haben ein Rad für mich geholt uns sind durch Mitchell's Plain gedüst. Das war vielleicht ein Genuss mal wieder Rad zu fahren!

Ismails Haus war recht neu, aber winzig. Der Grundriss so groß wie eine Garage. Dort lebt er mit seinen beiden Kindern und 3 kleinen Hunden. Der Garten ist auch nicht viel größer aber ich war echt platt wie toll der aussah. Auf kleinstem Raum tummelten sich Brokkolis, Kräuter, Wein, Olive, Aprikose, Maracuja, Karotten, Bohnen, usw usw... wirklich toll... und vieles davon hat er bei SEED geholt.
Als wir mit den Obstbäumen fertig waren hat er mir noch ein Mittagessen als Dank spendiert (KFC natürlich. Yam! :) ) und ein paar seiner Maracujas eingepackt.
Erfahrungen wie diese sind mir hier so wertvoll und kostbar. Sie machen die Arbeit so sinnvoll für mich. Und manchmal bin ich überwältigt von der Erkenntnis dass ich wirklich eine tolle Bildung genossen habe und wie wertvoll diese doch ist. Ich erkläre gerne und teile mein Wissen. Die Menschen hier sind so unglaublich dankbar wenn man dieses Wissen teilt, dass ich fast peinlich berührt bin, wenn sie mir dafür danken. Dieses Wissen wird hier soviel mehr gebraucht und gewertschätzt als ich das bislang in Deutschland erlebt habe. Und im Gegenzug gibt man, was man kann.

Man kann Mangold auch in einem Futtersack anbauen

Ich weiß gar nicht ob ich das in Worten treffend beschreiben kann, aber diese Interaktionen von Menschen fühlen sich so ehrlich und richtig für mich an. Geld hat hier keiner zu verschenken, aber jeder hat was anzubieten, was getauscht werden kann. Und nicht zu vergessen die menschliche Seite bei all diesen Interaktionen. Ohne Tee und ein kleines Schwatzchen fühlt es sich schon gar nicht mehr richtig an, wenn jemand zu SEED zu Besuch kommt... und irgendwer schaut immer vorbei.

In den Tiefen unseres Food Forests gefunden

Auch deshalb sind Nadine und ich gerade sehr gerne in Rocklands. Und es gibt noch viel zu tun.

Community Market

Ja, es war mal wieder Zeit für einen Community Market. Mein dritter... oder doch schon der vierte. Kann mich gar nicht mehr so recht erinnern. Dieses Mal waren Nadine und ich die einzigen vom SEED staff die den Markt organisieren konnten.
Aufgrund des ständig wechselnden Wetters haben wir die Stände zunächst in der Aula der Schule aufgebaut und als das Wetter dann etwas stabiler war haben wir das ganze nach draußen verlegt.

Aunty Ria mit ihren selbstgenaehten Kerzenhaltern

Die Perle vom SEED Stand

... und nochmal wie sie Aunty Sadia was verkauft.
Da werden neue Kontakte geknuepft...
... und neue Produkte entworfen wie Anton's Recycle Grillanzuender
Im Grunde war der Markt genauso aufgebaut wie immer: Die Community Members konnten dort ihre selbst gemachten Produkte, Second hand Kleidung, Essen, Pflanzen usw. verkaufen. SEED hat seine eigenen Produkte wie das Miracle Ointment, Marmelade und Gemüse verkauft. Es werden die üblichen Köstlichkeiten wie Samosas, Boerewors, Donuts und Popcorn feil geboten. Nebenher spielt „lokale Musik“ (uffza uffza House!), wer will, kann was aufführen, singen oder ne Rede halten.

Wer mag kann auf der Buehne tanzen

Unser DJ fuer diesen Tag

Aunty Sadia haelt ne schwungvolle Rede ueber alles was ihr wichtig ist
Leider krankt der Markt noch immer daran, dass nur wenige Besucher kommen. Irgendwie ist das in Mitchell's Plain, vielleicht in ganz Südafrika nicht so einfach die Leute am Wochenende aus dem Haus zu bekommen. Die, die sowas interessiert sind als Verkäufer auf dem Markt. So ist der Markt meist eine große Tauschbörse jeder bei jedem mal was kauft. Jeder supported, also unterstützt jeden. So nennen sie das jedenfalls hier. So sind Nadine und ich so gut wie alles Bio-Obst und -Gemüse losgeworden und haben ganz nebenbei noch sehr nobel eingekauft: selbst gemachte Schokolade, warme selbst gestrickte Mützen, Samosas, selbst genähte Kissenbezüge, … lauter tolle Sachen. Und das zu Volunteer-freundlichen Mitchell's Plainer Preisen. Wer kann bei solchen Produkten widerstehen … und immerhin supporten wir damit ja die Community. ;)

Etwas ganz Besonderes und Neues hatte der Markt dann doch: Shaun.
Er wohnt an ... nein IN der Schule, also hat er uns geholfen. Als MC (Master of Ceremony) hat er so richtig Stimmung in die ganze Sache gebracht. Ganz gleich ob er eine Gesangseinlage ansagt oder mal spontan einen Tanzwettbewerb veranstaltet, er hat seinen Spaß. Und lässt alle dran Teil haben.
Und so hatten wir trotz geringer Beteiligung der Mitchell's Plainer sowas von unseren Spaß und viele tolle neue Sachen.

Dies koennte ihr Preis sein: Eine Ausruestung fuer den angehenden Westernhelden

Dance! Man beachte den kleinen Stoepsel in hellblau mit seinem Papa
Wo lernen Kinder nur so zu posen?
 
Vielleicht bei Onkel Shaun. Hier ganz in seinem Element
Michael is back!
Nach dem Sieg erst mal mit nem Bio-Apfel staerken
Zeit fuer die Ladies zu tanzen
Da lassen wir uns nicht zweimal bitten :)

Die Gewinnerinnen (v.l.) Aunty Sadia, Shereen und Nadine mit Aunty Ria


Danke Community. Ihr seid die Besten!

Friday 3 June 2011

Alltagsherausforderungen

Der Sommer ist nun endgültig vorbei. Der Regen hat eingesetzt und da ergeben sich so einige neue Herausforderungen im Alltag. Da ist zum einen die Kälte die gerade überall ist. In unserem Haus in Obs haben wir keine Heizung, nur einen kleinen Heizlüfter in jedem Zimmer aber bei einer Deckenhöhe von geschätzten 10 Metern und Einfachverglasung reißts der halt auch nimmer raus. Man mag mich für paranoid halten aber genau aus diesem Grund habe ich mittlerweile 3 Decken, 3 Schals und eine Wärmflasche immer in meinem Bett. 
My bed is my castle!
Tatsächlich kann ich gerade meinen Atem sehen wo ich dies in meinem Bett schreibe. Irgendwie gruslig. Ich trau mich auch gar nicht recht ein Thermometer anzuschaffen denn dann hab ichs schwarz auf weiß wie kalt es wirklich ist. Reicht ja schon dass ich die grausame Wahrheit über die Temperatur in unserem office kenne: Wir starten den Tag mit lauschigen 11°C können uns dann über den Tag aber dank Körperwärme und laufenden PCs auf 15°C steigern ... was sich immerhin wärmer anfühlt als die Außentemperatur.


My bed is my castle
Nochmal zum Lynton-Haus: Bei 10 Leuten gibt es auch schon mal die eine oder andere Disharmonie was das Raumklima angeht. Den einen (*Handheb*) wäre es ganz recht wenn es eine gewisse Grundwärme im Haus gäbe dass man sich nach der Arbeit wenigstens mal aufwärmen kann, anderen wiederum ist die Luft im Haus zu stickig und tendieren daher gerne zum exzessivem Lüften. Meine Räucherstäbchen kann ich mir daher gerade abschminken, wenn ich nicht erfrieren will.
Auch Duschen hat gerade eine unbequeme Note an sich: Durch die Kälte ist der Kitt vom Fenster so hart geworden dass die Fensterscheibe ... flupp ... einfach rausgefallen ist. Jetzt können wir uns also guten Tag sagen wenn der eine flucht weil die Wäsche nach 5 Tagen immer noch nicht trocken ist und der andere in der Dusche im Zug steht. 


Der Kälte begegne ich mit verschiedenen Strategien. Da wäre natürlich die Decken-Taktik, aber die funktioniert in der Arbeit nicht so gut. Dann hätten wir die Wärmflaschenidee. Das funktioniert zuhause sehr gut und so eine Wärmflasche kann einem schon mal die Gliedmaßen retten. Schützt leider aber auch nicht davor dass einem die Nase des Nachts beim Schlafen fast abfriert. In der Arbeit kann man eine ähnliche Strategie verfolgen, wie ich von Yoli gelernt habt. Sie heißt im Fachjargon „Kettle-Cuddle“ und wird wie folgt durchgeführt: Man füllt den Wasserkocher mit Wasser, schaltet an und umarmt den Plastikgesellen ganz innig bevor jemand anderes auf die Idee kommt. Hält einen ein bisschen vom Arbeiten ab, aber das Opfer bin ich zwischendurch gern gewillt zu bringen. 


Eine dritte Anti-Kälte-Strategie ist es sich literweise heißen Tee einzuverleiben. Wärmen von innene sozusagen. Leider hat diese Strategie neben dem positiven Effekt dass man viel Flüssigkeit zu sich nimmt (Ja, ich hör die Gesundheitsapostel schon) auch diverse Negativpunkte: Da wäre zum einen dass so ein Tässchen Tee unglaublich schnell kalt wird wenn die Raumtemperatur bei plus minus 10°C liegt. Zum anderen muss man unglaublich oft aufs Klo. Das kann ein bisschen störend sein, vor allem wenn man sich dazu vom Kettle-Cuddling trennen muss oder sich aus seinem Deckenlager schälen muss. Über meine verzerrte Liebe zu Rooibos hab ich ja schon geschrieben, aber ich kann es nur nochmal sagen: Wenn man versucht sich mit Rooibos zu wärmen gehen für zwei Tassen Tee mindestens drei Tassen raus. Das können nicht mal Gesundheitsapostel gut finden. 


Schlaue Menschen sagen jetzt vielleicht: „Mensch dann holt euch doch ne Heizung ins office! Muss doch keiner frieren bei der Arbeit“ Da stoßen wir schon auf die nächste Herausforderung: Wir haben im office ein Energieproblem. An den geschätzten zwei Steckdosen die im ganzen Raum sind hängen, Mehrfachsteckern sei Dank, sieben PCs, ein Drucker, ein Telefon alias Fax, ein Wasserkocher und eine Mikrowelle. Traurig aber wahr, wenn wir nur noch EIN zusätzliches Gerät anstecken und alles in Betrieb ist überlasten wir die fragile Elektrizitäts-Konstruktion. Stromausfall. Ich sprech da aus Erfahrung. Ist halt doch als Klassenzimmer zu Apartheidszeiten gebaut worden und kein moderner Bürokomplex. Nadine und ich waren uns heute einig dass wir uns in der größten Not den Mitchell's Plainern anschließen und mal ne Tonne anzünden um die wir uns dann versammeln. Ich seh uns schon mit Boerewors am Spieß um die Tonne stehen ... Wenn da nur nicht der Regen wäre...


Ja, er ist endlich da! Es ist toll zu sehen wie die Pflanzenwelt einen Riesenschluck nimmt und regelrecht aufblüht. Für unsereiner ist das Dauernass dagegen schon mal etwas lästig. Im Lynton Haus mussten wir gestern den ersten Eimer hinstellen, aber ich denke es ist nichts Schlimmes. Darf man halt nicht vergessen dass da ein Eimer im Gang steht wenn man durchs Dunkle zum Klo tapst. 
Eine weitere Herausforderung die mit dem Regen gekommen ist: Die Wäsche wird nicht mehr trocken. Ja, ich muss wieder die 10-Leute-in-einem-Haus-Karte ausspielen: Bis da jeder mal seine Wäsche fertig hat können Tage vergehen. Es ist immer ein Bangen ob auf der Leine mal Platz ist und ob das Wetter dann wenigstens so lange aushält dass die Wäsche nur noch feucht ist. Wäsche von 10 Leuten kann man halt auch nicht ausschließlich im Haus trocknen.


Und wo wir schon bei der Wäsche sind: Unsere Waschmaschine war ja wieder mal kaputt... das war die dritte jetzt glaube ich. Vielleicht ist es nicht so eine tolle Idee eine alte Waschmaschine mit einer mindestens genauso alten und fragilen Maschine zu ersetzen, aber wat solls. Wir sind also bei Maschine Nr. 4 mittlerweile angelangt, ein neueres Modell aber auch sie hat natürlich einen Haken: Die kann nur kalt waschen. Also jetzt mal ehrlich! Bis ich heimkomme habe ich kein Kleidungsstück mehr dass nicht irgendwo einen Fleck hat oder dessen Farbe ausgebleicht ist. Ich weiß nicht wie die südafrikanischen Waschmaschinen das immer machen, Flecken lassen sie drin, die Originalfarbe lösen sie aber wunderbar.   


So, aber jetzt genug gejammert. Was richtig richtig genial ist am südafrikanischen Winter sind die Orangen und Mandarinen. Ehrlich! Sowas leckeres kann man in Deutschland gar nicht kaufen … ohne seine CO2-Bilanz in astronomische Höhen zu treiben. Schon meine Mama schwärmte vom Aroma der südafrikanischen Mandarinen. Ganz wie früher, meinte sie.
Also: Auf die Orangen! Hatschiiiii!!!!