Sunday 17 October 2010

Mein Tag

15. Oktober

Heute gibt’s mal einen ganz anderen Eintrag in meinem Blog. Ich dachte es ist mal an der Zeit einen Tag zu beschreiben, der so ziemlich alles hatte, Alltag, Kurioses und viel viel Schönes.
Mein Tag beginnt wie der vieler Menschen: Keine Lust aufzustehen. Es ist unglaublich! Da  schlaf ich um 22:00 ein und bin um 6:30 immer noch nicht ausgeschlafen. Ich entwickle mich hier zur regelrechten Schlafmütze. Duschen sollt ich auch noch, ach ne, lieber noch 5 Minuten dösen. Als ich dann doch aufgestanden bin war klar, dass ich wenigstens die Haar waschen sollte, deren Ansatz schon ein wenig fettig war. Also hab ich versucht nur den Kopf in die Dusche zu halten, aber denkste. Unmöglich sich nur den Kopf zu waschen, ohne das halbe Bad zu überschwemmen, also husch husch richtig duschen. Warum hab ich das nicht gleich gemacht? Ach ja, der innere Schweinehund hat viele Gestalten.

Nach einem knappen Frühstück bestehend aus Schwarztee, Toast mit Erdnussbutter und Erdbeermarmelade und einem Stück Papaja sind Nadine und ich los zu unserem Treffpunkt an dem uns Bood mit seinem neuen Auto abholt. Er hat sich einen weißen Second hand Polo gekauft, ja, genau das Modell das auch in Wörth oder Landshut in rot steht. Da konnte ich ihm ein paar kleine Features zeigen, was ihm sehr gefallen hat. Er liebt das Auto jetzt schon. Ja, Polos haben diese Fähigkeit. Als guter „Copilot“ kümmere ich mich natürlich um die Musik, Temperatur und drücke auf den „Keine-Luft-von-außen-Knopf“, wenn wir bei der Kläranlage vorbeikommen, die wirklich erbärmlich stinkt. Die armen Leute die keine 100 Meter weiter wohnen.


Kleiner Eindruck vom township Guguletu
In der Arbeit wird dann als erstes, ganz wichtig, e-mails gecheckt. Auch ganz wichtig, Kaffee machen, denn wie will man sonst richtig arbeiten? Zumindest ist es so die letzten Morgende abgelaufen. Heute hatten wir alle noch so einiges vor, obwohl Freitag, also eigentlich Office Day war. Nadine und Bood haben eine Volunteer, Mira, aus Muizenberg abgeholt und Yoli und ich wollten auch noch mal los mit dem Buggy, unserem Pick-up-ähnlichen Allroundgefährt. Aber wir mussten warten bis Mzu mit dem Auto zurückkam. Er holte Kartoffelschalen für die Wurmfarm. Bis dahin haben wir Volunteers ein Schild für den bevorstehenden Markt gemalert. „For Sale: Compost & Seedlings“.
Kaum war der Buggy wieder da, sind Nadine, Yoli und ich los um „Horse Poh“, also Pferdemist zu holen, denn ein Stall in Phillipi quasi kostenlos abzugeben hat. Auf dem Hof haben wir dann erstmal Bekanntschaft mit Nixon dem „Stallburschen“ und ein paar Pferden gemacht. Dann haben wir den halben Buggy mit dampfendem Pferdemist vollgeladen und sind wieder los zum nächsten Schnäppchen: Kostenloses Holz.
Naja, kostenlos... Es waren die Reste eines Sägewerks, ein Haufen Holzstücke, meist Bretter mit Rinde an einer Seite. Leider verbrennt das Sägewerk manche von diesen Haufen, aber es ist noch genug Holz übrig um Menschen anzulocken die sich dann den Rest den man irgendwie brauchen könnte holen.
Auf dem Weg zur Arbeit kommen wir immer an einer Art Stand vorbei an dem Hundehütten gebaut und verkauft werden. Recht schöne und große Hundehütten. Jetzt ist auch das Geheimnis gelöst, wo diese Menschen das Holz dafür her haben. Der Abfallberg des Sägewerks liegt nur auf der anderen Straßenseite. Man darf eben nicht dumm sein.
Eine Schule auf meinem Weg zur Arbeit
Also haben wir mit ein paar anderen Menschen den Haufen nach brettähnlichen Holzstücken durchwühlt. Ein paar Meter weiter lädt eine Gruppe von Männern einen Buggy mit undefinierbarem braunem Zeug voll von Plastiktüten und Glasscherben auf. Ist angeblich Kompost, aber woraus er in dieser Dünenlandschaft entstanden sein soll bleibt mir ein Rätsel. Die Männer scheinen schon zu wissen, was sie damit anfangen können. Irgendeine Business-Idee bestimmt. Wie die mit den Hundehütten.
Yoli ist happy, weil wir zu all dem 1-A-Pferdemist und dem kostenlosen Holz auch noch ein paar Meter Schnur finden. Sowas kann man ja immer brauchen.

Vollbeladen fahren wir zur Sea View Primary School in Mitchell's Plain. Yoli organisiert als erstes mal ein paar Kinder um den Buggy abzuladen. Gar nicht dumm die ohnehin total aufgedrehten Kids das schwere Zeug abladen zu lassen. In der Zwischenzeit fangen wir einen Plausch mit einer Lehrerin an, die Yoli und mir immer Mittagessen besorgt, wenn wir an der Schule sind. Nach diesem kleinen Intermezzo fangen Nadine und ich an aus dem Holz Einfassungen für die Beete zu bauen. Natürlich müssen/dürfen die Kids mithelfen. Wir bauen zwei, den Rest sollen sie im laufe der Woche selbst zusammenbauen. Kein Problem für diese Kids. Es braucht irgendwie nur jemanden, der ihr Temperament manchmal in Zaum hält.

Dieses kommt auch heute wieder ganz herbe bei uns Volunteers an. Die Jungs müssen wieder austesten wie weit sie gehen können. Sie probieren Schimpfwörter in Afrikaans an uns aus und lachen sich krumm, weil wir es nicht verstehen. Die Erfahrung habe ich diese Woche auch schon gemacht. Sie sind respektlos uns gegenüber, aber heute wussten sie immerhin schon mal meinen Namen. Und sie haben ihr „Ich-beschimpf-dich-in-Afrikaans-Spiel“ heute hauptsächlich an Nadine ausprobiert. Interessanterweise war sofort Ruhe als Nadine und ich uns auf Deutsch unterhalten haben. Das scheint sie irgendwie eingeschüchtert zu haben, dass es auch eine Sprache gibt, die SIE nicht verstehen. Fühlt sich wohl nicht mehr so gut an, wenn man auf der anderen Seite steht. Mal sehen, wie sie sich bei meinem nächsten Besuch benehmen. Immerhin haben sie mir heute gezeigt, wie man sich als Moslem in Mitchell's Plain korrekt begrüßt. Die Schwarzen machen ihr shake-hands ein wenig anders, aber sehr ähnlich. Es sind halt doch nur die Detail, die uns voneinander unterscheiden. 

Auf dem Heimweg wollten wir Fish & Chips kaufen, aber der Laden hatte um 12:20 leider geschlossen, vielleicht wegen Mittagsgebet gen Mekka. Öffnet wieder um 14:00. Man hat uns zum Fischladen im Einkaufszentrum geschickt, aber der Fisch war dort mindestens doppelt so teuer wie im anderen Laden, also sind wir wieder abgezogen. Im Einkaufszentrum zog ein Mann mit einem großen Maschinengewehr seine Runden. Er begleitete einen Geldtransport. So ein großes MG sieht man nicht alle Tage.

Zurück im Office gibt’s dann erst mal nen Tee, Werkzeuge werden aufgeräumt, Kapstachelbeeren genascht und natürlich soziale Kontakte pflegen. Ich hab noch eine Tintenpatrone ausgewechselt und wollte in der Nursery helfen, aber da waren schon zwei Volunteers. Wird ganz schön eng, wenn so viele Volunteers da sind und nächste Woche sollen nochmal so um die vier dazukommen. Hei das kann ja was werden.

Ich weiß, der Tag klingt nicht besonders vollgestopft mit Arbeit, nach deutschem Maßstab wird hier auch ganz schön viel gebummelt, aber dies ist nicht Deutschland. Es ist Afrika und das gehört irgendwie dazu. Erstaunlicherweise kann ich mich in diese Einstellung zur Arbeit gerade auch total reinfallen lassen. Ich lass mich einfach im Rhythmus der anderen treiben. Nach dem ganzen Stress vor der Abreise tut es mir wahrscheinlich einfach ganz gut, mal alles langsam und relaxed angehen zu lassen. Mal sehen, ob ich das nach Deutschland mit rübernehmen kann. 

Um 14:00 sind wir dann nochmal zum Fischladen getuckert um Snoek und Hake mit Chips, also Pommes zu kaufen. Den haben wir dann mit den anderen SEED-Mitarbeitern genüsslich vertilgt. Alles ziemlich fettig, aber unglaublich lecker, bzw. lekka. Yoli hat Nadine und mir dann gleich den Auftrag gegeben, dass wir Rezepte raussuchen sollen, was wir mit den Kindern beim Abschlussessen kochen können. Das Schuljahr (und das richtige Jahr) neigt sich dem Ende zu und nach dem ersten Jahr im SEED-Programm werden die Kinder und Lehrer mit einer Art Abschlussessen aus den Sachen die im Garten geerntet werden, belohnt. Wir müssen etwa 50 Leute verköstigen und die geernteten Sachen sollen natürlich verwertet werden.
Aber zurück zum Arbeitstag.
Wir konnten endlich auch die Fahrtkostenfrage klären und Bood ist zum Glück sehr zufrieden mit dem Angebot das wir ihm gemacht haben. Alle sind glücklich. Win-Win-Situation. So muss es sein.

Zuhause dann haben wir uns wie meistens in unseren Hinterhof mit einer Tasse Tee gesetzt um erst mal anzukommen. Da spazierten zwei Männer in unser Haus (das passiert irgendwie öfter sagen die anderen) ein Dünner und ein Dickerer der nach etwas nachfragen erklärt, dass er vom Ministry of Health und wegen der Kakerlaken hier sei. Wir hatten nämlich bei unserem Landlord (Vermieter) angegeben, dass wir einige Kakerlaken im Bad und Wohnzimmer hätten. Wen wunderts bei all den Ritzen und Löchern im Haus. Da würd ich mich als Kakerlake wohl auch einnisten. Na jedenfalls, wie das halt so ist, der Dünne hat gesprüht und der Dicke hat schnaufend Anweisungen gegeben, wo er überall hinsprühen soll. Das angeblich geruchlose Zeug müffelte dann eine Weile vor sich hin und wenige Minuten später sind die ersten Kakerlaken aus den Ritzen, dem Abfluss usw gefallen, noch zappelnd. Also zu den Abflüssen muss man vielleicht noch sagen, dass das hier „offene“ Systeme sind, d.h. Abwasser aus Bad und Küche fließen durch ein Rohr nach draußen, sagen nochmal „Hallo“ zu den Leuten im Hinterhof und fließen dann direkt in eine Art Gulli. Und wer hätts für möglich gehalten, die Kakerlaken sind aus den Abflussrohren gefallen. Und über diese nach Ansicht des „Gesundheitsministers“ wahrscheinlich auch ins Haus gekommen. Hochstwahrscheinlich sind über diese Weg die blinden Kakerlaken ins Haus gekommen, die den 2cm hohen Spalt unter der Tür übersehen haben. Durch den könnte man ohne Probleme eine Süddeutsche schieben. Also mal ehrlich: Ein solcher Spalt an der einen Seite des Hauses und ein nicht minder dramatischer an der anderen Seite des Hauses plus dem permanenten Kapwind ergibt super Durchzug. Es ist echt frisch am Abend und jetzt haben wir Frühling. Das kann ja heiter werden im Winter. Ich merk mir mal die Idee mit der Süddeutschen.

Abends hat Jana gekocht. Lecker Champignonsauce mit Nudeln. Ja, ich weiß, ich hatte erst wenige Stunden vorher den fettigen Fisch gegessen, aber neben dem mehr an Schlaf scheine ich auch mehr Kalorien hier zu benötigen. Zumindest habe ich oft Hunger und wen wunderts, dass ich mein gesamtes Taschengeld das ich von SAGE Net bekomme für Essen ausgebe.
Vor dem Essen war ich noch ne Runde im Internetcafe, am „gefährlichen“ Geldautomaten (Keine Sorge, wir gehen da nicht alleine hin. Nadine war Schmiere stehen) und im Spar wo ich mir eine Packung Oreos und eine Spar-Nachgemachte-Oreos gekauft habe. Der Preisunterschied ist nur 2 Rand aber der Geschmacksunterschied mindestens 5 Rand. Nichts geht über das Original. Vor allem bei Oreos.

Das war mein Tag. Zugegeben, ein Freitag ist nicht sehr repräsentativ für den Rest der Woche, aber irgendwo muss man ja mal anfangen, nicht?
Also man sieht sich.   

No comments:

Post a Comment