Sunday 23 January 2011

Rough and ready

23. Januar 2011

Heute will ich von Uncle Charles erzaehlen. Er kommt dreimal die Woche in unseren Garten in Rocklands um Unkraut zu jaehten. Vielleicht macht er auch noch andere Sachen, aber ich hab ihn bisher immer nur beim Unkraut gesehen. Er sieht selbst ein bisschen wie eines aus und das meine ich gar nicht negativ. Er ist 67 Jahre alt, bewegt sich äusserst langsam durch den Garten, hat anders als viele Coloureds noch seine oberen Schneidezähne (viele Coloureds lassen sich die oberen Vorderzähne entfernen. Als ich danach fragte sagte man mir, dass das so Mode sei.), löchriges T-Shirt und meist einen Stoppelbart. Er ist wirklich eine urige Gestalt, anders kann man das nicht sagen.

Fuer uns seltsame Mode unter den Coloureds

na, waehr das nicht was fuer Twilight-Fans? ;)
Heute hatte ich mal die Chance mich mit ihm zu unterhalten und es war wirklich sehr interessant was er alles zu erzählen hatte. Er arbeitete als Koch auf Frachtschiffen. Sein Leben lang, seit er 15 Jahre alt war. Er hat nur einmal auf dem Festland einen Job angenommen und da hat er genau 3 Stunden gearbeitet. Er konnte das eingesperrt sein nicht ertragen hat er gesagt. Aber ich nehme auch an, dass die Arbeitsbedingungen in Südafrika vor ein paar Jahrzehnten um einiges härter waren. Er sagte man musste um Erlaubnis fragen um aufs Klo zu gehen und das hat ihn genervt. Also hat er nach 3 Stunden seine Jacke genommen und ist abgezogen. „Das ist doch kein Leben!“

Er hat also als Schiffskoch gearbeitet und konnte so einiges über die Welt erzählen. An Deutschland hat ihn am meisten der Bierpreis geschockt. Er sagte für einen Liter musste man umgerechnet 90 Rand bezahlen. Dafür war das Bier aber auch ganz schön stark sagt er. Becks-Bier mochte er am liebsten. Aber sehr toll fand er die Sauberkeit in good old Germany. Er meinte dass es in Deutschland keine kaputten oder schäbigen Häuser gibt. „These guys take care of their country!“ Anders als in Südafrika, wo aber auch über die Hälfte der Bevölkerung in Armut lebt. Interessant über die Deutschen fand er auch, „dass die fast nichts frühstücken“. Ich fragte ihn, was er damit meint „fast nichts“. „Naja...“ sagt er „die essen nur ein bisschen Brot oder Semmeln mit Marmelade oder Schinken und Käse. Mehr nicht“ Da musst ich ganz schön lachen. :D

Uncle Charles im Garten
Er hat mir erzählt wie gut die Amerikaner bezahlt haben (800 Dollar) um Fracht nach Vietnam während des Krieges zu bekommen. Einmal sagt er ist ihnen ein Container mit einem grünen Kreuz aufgegangen und drin waren nicht wie erwartet Medikamente sondern lauter Munition. Von den Amerikanern hält er ansonsten nicht sehr viel. Er sagte er mochte sie auf dem Schiff nicht besonders, weil sie sich aufgeführt haben „als seien sie die Könige der Welt“. Ausserdem kann er nicht verstehen, warum die amerikanischen Städte so dreckig sind. In Südafrika könne man das ja verstehen, aber Amerika sei doch reich und hat trotzdem so viel Dreck. Tjo....

Und seine Devise als Koch lautete, dass du „rough and ready“ sein musst. Rough (rau, grob, abgehärtet) um das harte Seemannsleben durchzustehen und ready (fertig, bereit) weil hungernde Seemänner ziemlich ungemütlich werden können. Da musste das Essen pünktlich auf dem Tisch stehen und die Mannschaft pünktlich zum Essen erscheinen. Da wurde nicht rumgeseindld. Disziplin und Routine war angesagt, sagt er. 
Noch heute steht er jeden Morgen um 4:00 auf und schaut sich den Sonnenaufgang an. Auch wenn er heute kein Frühstück für die Crew bereiten muss, so wacht er doch jeden Morgen um diese Zeit auf.

Obwohl Uncle Charles heute im Garten sehr gemächlich arbeitet und gerne mal ein Schwätzchen hält sehe ich ihn sehr gerne hier im Garten. Hier geht es nicht um Effizienz. Er bekommt kein Geld für seine Arbeit, nur ab und an ein bisschen Kompost und Hilfe wenn er die braucht. Gestern habe ich ihm z.B. ein paar Seiten aus einem Buch kopiert. Wie gesagt er macht die Arbeit freiwillig und ich glaube ihm geht es genau wie Uncle George: Beide sind alte Männer die einfach nur gerne was zu tun haben. Verantwortung übernehmen und trotzdem nicht alleine verpflichtet sein den Garten in Schwung zu halten.
Theo meinte SEED hat sich diese Jahr zum Ziel gemacht, die Communitymembers mehr in den Garten mit einzubeziehen. Leute wie Uncle George und Uncle Charles die zuverlässig auf der Matte stehen, gemächlich aber doch ein wenig arbeiten sind es auch genau die einem solchen Garten Leben einhauchen. Sie sind gerne im Garten und deshalb kommen sie auch wieder. Wie gesagt, ich glaube nicht dass es um Effizienz geht. Im eigenen Garten geht es ja auch nicht um Effizienz.
Aber ich habe eine Weile gebraucht um das zu verstehen, denn ich glaube ich bin von meiner Ausbildung im Staudengarten und meiner gesamten Kultur einfach auf ein anderes Ideal hingetrimmt worden. Hier muss ich erkennen, dass ich damit nichts erreiche, weil es gar nicht wahrgenommen wird.

Ein Beispiel: Uncle Charles arbeitet jetzt schon eine Weile hier, ich habe ihm auch schon erzählt dass ich aus Deutschland bin und dass er mich bei Gartenthemen gerne fragen kann aber er hat das gar nicht recht zur Kenntnis genommen. Erst heute als ich mir die Zeit genommen habe und über eine Stunde mit ihm geredet habe, ihn befragt habe, hat er mich zur Kenntnis genommen und gestrahlt.
Etwas ähnliches ist mir erst heute mit unserem Maler passiert (wir bekommen gerade neue Möbel und alles wird neu gestrichen). Auch er hat mich bisher nicht wirklich zur Kenntnis genommen, aber als ich ihm heute Morgen einen Tee gemacht hab, hat er gestrahlt. Ich hab mich noch ein bisschen zu ihm gesetzt, hab ihm Kekse serviert und wir haben uns ein bisschen unterhalten. Es war nett und ungezwungen und plötzlich bietet er mir aus dem nichts an, dass er nächste Woche mal Curry für die ganze Mannschaft im Haus kocht. Sagt selbst, hat euch das schon mal ein Maler in Deutschland angeboten?


Ich entdecke immer noch viel neues im Umgang mit den Menschen hier. Und das wird auch noch eine ganze Weile so bleiben, denn es ist ja nicht mal so, dass es hier nur eine Kultur zu entdecken gibt. Und alle sind sie etwas anders, Xhosa, Weisse, Coloureds, ganz zu Schweigen von den Kenianern, Kongolesen, Tansaniern usw. usw.
Wie gesagt: Es gibt viel zu entdecken!

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